Sage vom Reich des Fanes

Es wird angenommen, dass der Hintergrund der Sage vom Reich des Fanes sich auf die Zeit bezieht, in der das matriarchaische Reich der Sammler und das patriarchaische Reich der Jäger durch die Erfindung des Pfluges eine Wendung erfuhren, die zu Herrschaft der Männer führte. Während die Jagd zunächst die unzuverlässige Art der Nahrungsbeschaffung war und das Sammeln stets Nahrung bot, war der schwere Pflug von den körperlich stärkeren Männern besser zu betreiben. Durch den erhöhten Bedarf an Boden waren die Völker zur Ausbreitung gezwungen und begannen, sich kriegerisch zu mehr Land zu verhelfen. Aus dieser Zeit der Umwälzung stammen viele Sagen, die inhaltlich den Niedergang einer einst friedvollen Zeit zu Gunsten der kriegerischen Zeiten erzählen.

Die atmosphärische Sage vom Reich des Fanes wird als das Nationalepos der Ladiner angesehen und wird in verschiedenen Varianten erzählt. Es gibt eine lange Version und ebenso eine gekürzte. Diese wird hier wiedergegeben.

Die kriegerischen männlichen Angehörigen des Königshauses standen in einem Bund mit dem Volk der Adler, während die friedlichen weiblichen Mitglieder ein Bündnis mit dem Volk der Murmeltiere hat. Durch die kriegerische Ausbreitung der Könige des Fanes bekamen diese immer mehr Gegner, zu denen auch Spina de Mul der Zauberer gehörte. Dieser zeigte sich meist in der Gestalt eines verwesenden Maultieres.

Die Königstochter Dolasilla besaß einen schneeweißen Panzer und ebenso unfehlbare Pfeile. Man hatte ihr prophezeit, nicht in eine Schlacht zu ziehen, wenn dieser Panzer sich schwarz verfärben würde, da dies ihren Tod bedeute. Prinzessin Dolasilla und Ey de Net, das Nachtauge, waren die Helden der Fanesleute und dieser wollte die Prinzessin heiraten. Der König erzürnt und verstößt den jungen Krieger von seinem Hof.

Die große Entscheidungsschlacht zwischen den Fanesleuten und ihren Feinden stand kurz bevor und Spina de Mul gelang es durch eine List, Dolsasilla wundersame Pfeile zu stehlen. Er schickte bettelnde Kinder, deren Bitten die Prinzessin nachgab und Pfeile aushändigte. Der Zauberer verteilte die Geschosse unter den Feinden der Fanesleute.

Als Dolasilla am Morgen der großen Schlacht nach ihrem Panzer greift, sieht sie, dass er pechschwarz geworden ist und dennoch wird sie gedrängt, in die entscheidende Schlacht zu ziehen. Die Bogenschützen der Feinde suchen nach Dolasilla und wollen sie an ihrem weißen Panzer erkennen, nicht wissend, dass dieser nun schwarz ist. Doch bald machen sie die Prinzessin aus und schießen mit den unfehlbaren Pfeilen auf sie eine tödliche Salve- die Fanesleute haben den Kampf damit verloren und die Königin verbirgt sich mit den Murmeltieren in die unterirdischen Gänge des Fanes, während der König auf dem Schlachtfeld zu Stein wurde, da er mit den Feinden heimlich Verrat begangen hatte. Seitdem sieht man ihn als Falschen König am Falzaregopass stehen.

Da trat Lidsanel auf, um die Sache der Fanesleute zu vertreten. Einst hatte man ihm geweissagt, er habe drei Wünsche im Leben frei und er solle sich zuerst die wundersame Pfeile der Dolasilla wünschen und dann das Reich der Fanes wieder neu errichten. Lidsanel wurde von drei Vivanas besucht, die ihm einen Wunsch freistellen und vergaß jedes Mal sich die Pfeile zu wünschen und so verlor das Volk der Fanes sein Reich und lebt bis heute verborgen bei den Murmeltieren in der Hoffnung auf die Verheißene Zeit, in der es wieder zu neuen Ehren kommen kann.

Der Pragser Wildsee, die Kleine Fanesalm, der Falzaregopass und die Armentara sind die Schauplätze dieser Sage.